Archiv für den Monat: Oktober 2015

Vorratsdatenspeicherung ist ein Angriff auf Recherchejournalismus

Foto: Pixabay
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Der Bundestag hat am Freitag den umstrittenen Regierungsentwurf für eine neue Vorratsdatenspeicherung durchgewunken:  In der namentlichen Abstimmung haben 404 Abgeordnete für die neue Vorratsdatenspeicherung votiert, 148 waren dagegen bei 7 Enthaltungen. PolitikerInnen der Opposition wie Renate Künast von B’90/Die Grünen werfen der Regierung vor,  „alle in dieser Bundesrepublik zu Verdächtigen“ zu machen. Alle drei, vier Minuten werde von jedem mit einem Handy festgestellt, wo er oder sie sich aufhalte. Dies habe selbst Orwell in 1984 nicht absehen können. Außerdem habe niemand die Frage der Datensicherheit nach Snowden beantwortet. Niemand könne ausschließen, dass etwa Geheimdienste wie die NSA Zugang hätten.

Auch die Journalistenverbände wie z.B. der Deutsche Journalisten Verband (DJV) kritisieren das Gesetz scharf. Es schwächt den Informantenschutz und das Redaktionsgeheimnis. Denn Whistleblower und InformantInnen können sich künftig bei Anrufen oder Kontaktaufnahmen mit Redaktionen nicht mehr sicher sein, ob sie dabei nicht beobachtet und getrackt werden. Das schränkt die Presse- und Informationsfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland massiv ein. Medienjournalist und Blogger Richard Gutjahr bezeichnet das Gesetz denn auch  als einen der „größten Eingriffe in die Grundrechte der Bürger seit Bestehen der Bundesrepublik“.

Anonyme Briefkästen

Foto: M.E./Pixelio
Foto: M.E./Pixelio

In den letzten Jahren sind einige Redaktionen dazu übergegangen, anonyme digitale Briefkästen einzurichten, um Volkes Stimme noch genauer vernehmen und auf diese Weise auf neue Themen stoßen zu können. Denn nicht jeder möchte Dampf ablassen und dabei seinen Namen gedruckt oder im Internet verbreitet sehen. Anonyme Briefkästen funktionieren so, dass die E-Mails über den gesamten Versandweg verschlüsselt sind und auch angehängte Dokumente geheim und sicher in der Redaktion ankommen. Hier einige Redaktionen, die online einen solchen anonymen Briefkasten anbieten:

Handelsblatt Investigative Recherche: https://handelsblatt-recherche.com

MDR: https://mdr-recherche-mailbox.de

Stern Investigativ: https://briefkasten.stern.de

waz Rechercheabteilung: https://upload.derwesten-recherche.org/upload/

Die Zeit: http://www.zeit.de/briefkasten/index.html

Lektüretipps zum Recherchejournalismus

Bibliothek St. Gallen (Foto: Haarkötter)
Bibliothek St. Gallen (Foto: Haarkötter)

Wer mal ein bisschen schmökern will, was die Geschichte des Recherchejournalismus angeht, der kann hier fündig werden:

Manfred Redelfs (1996): Investigative Reporting in den USA. Strukturen eines Journalismus der Machtkontrolle. Opladen.

Welche Rolle der Journalismus für die politische Meinungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland spielte, kann man ganz gut an ihrer Skandalgeschichte nachvollziehen:

Thomas Ramge (2003): Die großen Polit-Skandale: Eine andere Geschichte der Bundesrepublik. Hamburg.

Die Webseite „Europäische Geschichte Online“ (EGO) bietet einen guten historischen Abriss der Journalismusgeschichte von Jürgen Wilke:

http://www.ieg-ego.eu/de/threads/europaeische-medien/journalismus

Sehr schön gemacht und illustriert ist diese Website zur amerikanischen Pressegeschichte im 20. Jahrhundert:

http://hiStory.journalism.ku.edu/1990/1990.shtml

 

Geburtstage bei der Süddeutschen Zeitung

sueddeutsche_70JahreDie Süddeutsche Zeitung hat in dieser Woche gleich mehrfach Grund zu feiern. Die gedruckte Ausgabe feiert ihren 70. Geburtstag: Eines der Schlachtschiffe des investigativen Recherchenjournalismus in Deutschland  erschien am Samstag, dem 6. Oktober 1945 unter der Lizenz Nr. 1 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung Ost zum Preis von 20 Pfennigen. Eine Sonderausgabe, die auch digital erhältlich ist, lässt die bewegte Geschichte Revue passieren. Auch das digitale Angebot der SZ feiert Jubiläum: Vor 20 Jahren ging die erste Internetseite der Münchener Tageszeitung online. Stefan Plöchinger, der stellvertretende Chefredakteur und Onlinechef, hat die kurze Historie von sz.de aufgeschrieben. SZ-Redakteur Johannes Boie denkt darüber nach, wie die digitale Revolution das Zeitungmachen verändert hat: Die Zeitung als zeitlich abgeschlossenes Produkt wird es nie wieder geben. Stattdessen bilden elektronische Medien im Internet den Strom aus Ereignissen als das ab, was er ist: endlos.