Kategorie-Archiv: Recherche

Suchmaschine für das Internet der Dinge

schodanIm Internet kann man nicht mehr länger nur nach Schlüsselwörtern suchen, sondern auch nach Dingen. Die Suchmaschine schodan.io hilft dabei, Gegenstände wie Webcams, Drucker, Kühlschränke, Heizungsregler und andere Smart-Home-Geräte aufzuspüren. Aber nicht nur das: Auch  industrielle Kontrollsysteme, zum Beispiel von Klär- oder Kraftwerken, kann Schodan recherchieren helfen.

Shodan liefert über diese vernetzten Geräte Basis-Informationen, etwa die IP-Adresse, über die ein Gerät vom Internet aus erreichbar ist. Über eine solche IP-Adresse kann man beispielsweise die Geräte ansteuern, wenn sie nicht sind mit einem Passwort vor fremden Zugriffen geschützt sind.

Ein Rechercheteam der Süddeutschen Zeitung hat in monatelanger Spürhund-Arbeit mit der Dinge-Suchmaschine Schodan vernetzte Geräte gesucht. Die ReporterInnen haben

in wildfremde Wohnzimmer und Arbeitsräume blicken können und privateste Daten von Personalausweisen bis zu Passwörtern für Online-Konten gefunden – weil die Zugänge nicht einmal mit simplen Passwörtern geschützt waren.

Die SZ-ReporterInnen haben auch zusammen mit einer Münchener Sicherheitsfirma ein digitales Werkzeug entwickelt, mit dem man die Sicherheit der eigenen vernetzten Gegenstände testen kann. Wichtigster Sicherheitstipp ist und bleibt aber, vernetzten Geräten im Internet der Dinge ein Passwort zu geben — und im Fall, dass werkseitig ein Passwort vorgegeben war, dieses unbedingt zu ändern.

Starke ARD-Recherche: Vertuschter Pharma-Skandal

Ein starkes Stück Fernsehen und eine starke Recherche: In der ARD-Doku-Reihe Die Story lief am vorvergangenen Abend der Film „Der vertuschte Skandal – Ein Pharmakonzern und sein Hormonpräparat“ von Christian Stücken:

Viele Kinder kommen in den 60er- und 70er-Jahren mit Missbildungen auf die Welt: Hirnschäden, Herzfehler, verkümmerte Gliedmaßen. Sie haben alles eines gemeinsam. Ihre Mütter haben von ihrem Hausarzt das Mittel Duogynon als Schwangerschaftstest bekommen.

Eigentlich ist Duogynon von der Firma Schering in den 60er- und 70er-Jahren ein Hormonpräparat, das bei Menstruationsbeschwerden eingesetzt wird. Frauenärzte verabreichen es gern als Schwangerschaftstest. Lösen die eingenommenen Hormone keine Blutungen aus, weiß die Frau, dass sie schwanger ist. Was die zugeführten Hormone bei den Kindern im Bauch der Mutter anrichten – daran denkt niemand. Unterm Ladentisch wird Duogynon als Mittel zum Schwangerschaftsabbruch gehandelt.

Der Film deutet die Rechercheschwierigkeiten nur an, die ihm selbst wohl im Wege standen. Wenn man aber nebenbei erfährt, dass eine BBC-Dokumentation zum gleichen Thema aus den 1970er-Jahren bis heute im „Giftschrank“ des Senders liegt und nie ausgestrahlt wurde, ahnt man, wieviele ARD-Justiziare diese „Story“ abgesegnet haben werden, bevor sie auf Sendung ging. Dass außerdem auch die Bildgestaltung bei diesem schwierigen und durchaus nicht bilderreichen Thema überaus gelungen und kreativ war, zeichnet diesen Film nur noch weiter aus.

Nur eines hat der Film nicht zu bieten: Eine Lösung. Aber dazu ist guter Journalismus auch nicht immer da. Er hat die Recherche geleistet, die Folgearbeiten müssen jetzt andere machen.

ARD: Whistleblower – Die Einsamkeit der Mutigen

In der ARD-Reihe Die Story war am späten Montag Abend eine Dokumentation über Whistleblower zu sehen. Anhand von drei realen Geschichten zeigt der Film, wie Menschen, die für die Gesellschaft relevante Informationen öffentlich machen, von Arbeitgebern, Politik und Justiz behandelt werden — nämlich schlecht.

Der Polizist Swen Ennulat aus Sachsen-Anhalt wollte sich nicht damit abfinden , dass seine Vorgesetzten die Ermittlungen gegen rechte Gewalttaten ausbremsten. Antoine Deltour machte die Beteiligung der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers (PwC) an der immensen Steuervermeidung von Konzernen in Luxemburg öffentlich. Und die Tierärztin Margrit Herbst wurde gekündigt und lebt seitdem von Sozialhilfe, weil sie die ersten BSE-Fälle in Deutschland öffentlich gemacht hat.

Der Film verweist auch auf die Notwendigkeit eines besseren gesetzlichen Schutzes von Whistleblowern, der aber von der Regierungskoalition ausgebremst worden ist.

ARD Die Story: Whistleblower

 

Gebühren für behördliche Auskünfte

Behörden sind in Deutschland Journalisten gegenüber im Regelfall zur Auskunft verpflichtet. Außerdem haben Journalisten bevorzugte Einsichtsrechte in behördliche Unterlagen. Das bezieht sich insbesondere auch auf Archive. Allerdings können sie, je nach Aufwand der Informationsbeschaffung, Gebühren verlangen. Hier eine Überischt über die Gebührensätze, die Journalisten erwarten: Continue reading

Neues Buch: Google & mehr – Onlinerecherchen

Im UVK-Verlag ist jüngst der Band Google & mehr: Online-Recherche. Wie Sie exakte Treffer auf Ihre Suchanfragen erhalten erschienen. In Zeiten des »information overloads« hat sich der Begriff der Recherche nachhaltig verändert: Bei Onlinerecherchen geht es heute nicht mehr darum, so viele Informationen wie möglich zu finden, sondern im Gegenteil nur noch so wenige, wie nötig. Aus den abertausenden Treffern, die Google & Co. einem heute bieten, müssen die treffendsten herausgefiltert werden. Dabei helfen erweiterte Sucheinstellungen, Operatoren und manchmal auch sogenannte »Google Hacks«, mit denen die Suchmaschine sich überlisten lässt. Und jenseits von Google gibt es eine große Zahl an Spezialsuchwerkzeugen im Internet, mit denen der User die Suche nach Dateien, Geo-Informationen, Musik, wissenschaftlichen Arbeiten etc. zielgenau verbessern kann. Eines der Zauberwörter im digitalen Zeitalter ist der Datenjournalismus: Der vorliegende Band geht insbesondere darauf ein, wie ganze Datensätze sich im Internet recherchieren und weiterverarbeiten lassen, und zwar bis hin zu geheimen Daten, Passwortlisten und anderem sicherheitsrelevantem Material. Viele journalistisch relevante Informationen lassen sich online nur noch ergattern, wenn man anonym unterwegs ist: Der Band zeigt darum, wie man mit dem Anonymisierungswerkzeug TOR unerkannt im Netz recherchieren kann. Tipps zu Recherchen mit dem Smartphone, zu In-App-Recherchen in Officeprogrammen und zu kollaborativen Recherchen über Cloud-Speicher-Dienste runden den Überblick ab. 

Das Buch kostet 14,99 Euro und ist in jedem Buchhandel und online erhältlich. Weitere Informationen gibt es auf der Verlagsseite von UVK:

Hektor Haarkötter: Google & mehr – Onlinerecherche.

ZDF: Sparkassen-Recherche

ZDF_Frontal21Gutes Beispiel für eine intensive Recherche: Viele Sparkassen und demnächst auch die Postbank erheben auf einmal Gebühren für Leistungen, die jahrelang kostenlos waren. Begründet wird dies mit der Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die Recherchen des ZDF-Politmagazins Frontal 21 ergeben aber ein völlig anderes Bild: Auch und gerade in Zeiten niedriger Zinsen haben die Sparkassen hierzulande satte Profite gerade mit dem Zinsgeschäft gemacht. Seit der Finanzkrise 2008 sind diese Profite sogar noch stark gestiegen. Was allerdings auch steigt: Die Gehälter und Boni der Sparkassen-Vorstände. Doch damit sollen die Gebührenerhöhungen selbstverständlich nichts zu tun haben …

Ein kleines Lehrstück darüber, dass die spannendsten Recherchestücke häufig im Wirtschaftsjournalismus zu finden sind. Der Beitrag ist in der ZDF-Mediathek zu sehen:

Frontal21: Gierige Sparkassen

Guter Service: Das ZDF stellt auch das Manuskript zu dem Beitrag online:

Manuskript: Gierige Sparkassen

Verstößt Wikileaks gegen die Pressefreiheit?

Wikileaks_rubon32Journalisten lieben Wikileaks. Eigentlich. Denn die Enthüllungsplattform Wikileaks hat in den vergangenen Jahren schon für einige echte „Scoops“ gesorgt: Die Afghan War Diarys und der Iraq War Logs waren öffentlichkeitswirksame Knüller, die ihre Wirkung auf die internationale Politik nicht verfehlt haben.

Aktuell hat Wikileaks die Email-Datenbank des US Democratic National Committee, also der Demokratischen Partei, veröffentlicht. Daraus soll hervorgehen, dass die Parteispitze im parteiinternen Wahlkampf einseitig Hilary Clinton gegenüber ihrem Konkurrenten Bernie Sanders bevorzugt haben soll. Die Parteichefin ist bereits zurückgetreten. Auch in diesem Fall stürzt sich die deutsche Presse begierig auf die Enthüllungen.

Es gibt allerdings Gründe, warum Journalisten in diesem Fall zurückhaltender sein sollten, was die Veröffentlichung dieses „Leaks“ angeht. Denn unter diesen Emails sind viele Mails, die Journalistenanfragen an die Demokratische Partei enthalten, etwa von RedakteurInnen der Washington Post oder des populären Politblogs Politico. Und auch die entsprechenden Email-Antworten sind zum Teil in der Datenbank recherchierbar. Das dies einen fundamentalen Eingriff in die Pressefreiheit darstellt, liegt auf der Hand.

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„Panama-Papers“ komplett im Netz

Bildschirmfoto 2016-05-10 um 19.02.24Einen guten Monat, nachdem die Süddeutsche Zeitung erstmals die „Panama Papers“ öffentlich gemacht hat, hat nun die internationale Rechercheorganisation ICIJ die Rohdaten zu hunderttausenden Briefkastenfirmen online gestellt. Die „Offshore Leaks Database“ ist eine interaktive Datenbank mit Informationen über Firmen, Treuhandfonds und Stiftungen in 21 Steueroasen. Persönliche Daten sind in dieser Datenbank nicht enthalten.

Das International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) ist ein weltweites Netzwerk von über 190 investigativen Journalisten in mehr als 65 Ländern, die bei intensiven investigativen Recherchen kollaborieren. Sie werden dabei von Computerspezialisten, Juristen und Fact-Checkern unterstützt.